Viel gehört und sehr umstritten: Das erzkatholische Radio Maria verbreitet in Italien Corona-Verschwörungsmythen. Der Vatikan ist irritiert, hat aber keinen direkten Einfluss.
Das Coronavirus sei Resultat einer gottlosen Weltverschwörung:
Diese These wird in Italien vor Millionen Hörern auf den Wellen von Radio Maria verbreitet. Direktor Pater Livio Fanzaga erklärt in seiner Morgensendung, wie es seiner Ansicht nach zur weltweiten Covid-19-Pandemie kommen konnte: „Für mich ist diese Epidemie ein kriminelles Projekt, das von den weltweiten Eliten vorangetrieben wird. Um eine Welt ohne Gott zu schaffen.“
Politik und gleichgeschaltete Massenmedien seien Teil dieser Verschwörung des Satans – behauptet der italienische Radio-Priester. „Ein Projekt mit dem Ziel, die Menschheit auszulaugen, sie in die Knie zu zwingen und eine Gesundheits-Diktatur zu errichten. Um eine neue Welt zu schaffen, durch die Ausschaltung all derjenigen, die nicht Ja sagen zu diesem kriminellen Projekt.“
Drastische Regeln für drei Zonen: Ministerpräsident Conte hat ein entsprechendes Dekret unterzeichnet.
„Regelrechte Mediengesellschaft“
Ein Corona-Verschwörungsmythos unter vielen, könnte man meinen. Wenn er in Italien nicht täglich von etwa 1,5 Millionen Menschen gehört würde. In einem Radioprogramm, das landesweit über so viele Frequenzen verfügt, wie sonst nur der Staatssender RAI. Radio Maria ist das Megaphon der erzkonservativen Katholiken in Italien und ein Machtfaktor im Land.
Der Sender sei mehr als nur ein Radio, sagt der Buchautor und Journalist Fabio Tonacci.
„Es ist eine regelrechte Mediengesellschaft“ – die jährlich Millionen Euro umsetzt. Für die Zeitung „La Repubblica“ hat Tonacci in die Jahresbilanz von Radio Maria schauen können. „Die Bilanz weist mehr als 20 Millionen Euro aus. Der meiste Teil des Geldes wird aufgewendet, um die riesige technische Infrastruktur mit 874 Sendefrequenzen im Land aufrecht zu erhalten.“ Der Sender sei außerdem im Internet präsent und produziere Inhalte für die sozialen Netzwerke.
Eigensinnige Nachrichten-Interpretation
Entstanden ist Italiens einflussreichstes katholisches Radioprogramm 1986 als kleines Pfarr-Radio in Erba – in der Nähe des Comer Sees. Der Sender expandierte einige Jahre später mit dem Einstieg des Mozzarella-Unternehmers Emanuele Ferrario – unter der redaktionellen Leitung von Pater Fanzaga. Dessen Programm bietet eine Mischung aus Rosenkranz-Gebeten, Bibellektionen, gregorianischen Gesängen und christlicher Schlagermusik.
Einmal am Tag aber erklärt der Radio-Priester den Hörern eine Stunde lang die Welt. Und wettert dann gegen Abtreibungsbefürworter, Homosexuelle, Migranten und den Islam. Dem gewählten US-Präsidenten Joe Biden unterstellt Pater Fanzaga ebenfalls, Werkzeug des Satans zu sein.
Den Führer der rechten Lega, Matteo Salvini, dagegen lobt der Direktor von Radio Maria als „ehrlichen Katholiken“. Salvini gibt die Komplimente zurück: „Also ich höre Radio Maria. Die Presseschau von Pater Livio Fanzaga ist immer auf den Punkt.“
Vatikan ist peinlich berührt
Im Vatikan sehen sie dies nicht ganz so. Das päpstliche Staatssekretariat entschuldigte sich öffentlich, als Radio Maria vor ein paar Jahren nach einer Erdbebenserie in Italien verbreitet, dies sei Gottes Strafe für ein gerade eingeführtes Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Konkreten Einfluss auf das Programm hat der Vatikan nicht.
Als privates katholisches Radio finanziert sich Radio Maria, das mittlerweile in über 70 Ländern präsent ist, vor allem aber über Spenden seiner Hörer, erzählt Autor Tonacci. „Wir haben mit ehemaligen Angestellten gesprochen: Sie berichten von Säcken, die mit der Post kommen, in denen Überweisungsbelege und Briefumschläge mit Geld sind. Die alleinstehende ältere Frau ist die typische Hörerin von Radio Maria.“ Im Programm gebe es fast stündlich Spendenaufrufe, die die Hörer befolgten.
Mit dem Erfolg, dass das Radioprogramm mit Hang zu Verschwörungstheorien auch über einen großen Grundbesitz verfügt. Mittlerweile gehören Radio Maria mehr als 70 Immobilien – fast alle vererbt von treuen Hörerinnen und Hörern.
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Von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom
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