Am Montagabend hat die Bundesregierung nach ihrem Beratungsreigen erste Öffnungsschritte nach dem derzeit gültigen Lockdown angekündigt. Obwohl die Infektionszahlen weiterhin hoch sind, sperrt der Handel unter Auflagen wieder auf. Auch Schülerinnen und Schüler dürfen nach den Ferien im Schichtbetrieb zurück in die Schulen – allerdings nur mit gültigem Test.
ie Regierung hatte zuvor mit Landeshauptleuten, Opposition und Expertenschaft beraten, wie man Lockerungen angehen könnte, ohne ein allzu rasches Hinaufschnellen der Infektionszahlen zu riskieren. Nun will man Handel und Schulen wieder öffnen – mit strengen Regeln, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt sagte.
Schülerinnen und Schüler aller Schulstufen dürfen wieder in die Klassen zurückkehren. Volksschulen starten nach den Semesterferien (in Wien und NÖ am 8. Februar, der Rest der Bundesländer eine Woche später) im vollständigen Präsenzunterricht. Höhere Schulstufen werden wieder im Schichtbetrieb in zwei Gruppen unterrichtet (Montag und Dienstag sowie Mittwoch und Donnerstag). Am Freitag bleiben die Schüler weiterhin zu Hause. Zweimal pro Woche wird jeweils getestet, ohne negativen Test stünde Homeschooling an. Zum detaillierten Vorgehen in den Schulen werde ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann am Dienstag Auskunft geben, so Kurz.
Mit FFP2 in den Handel
Ab kommender Woche darf auch der Handel unter Auflagen wieder öffnen, dabei wird das Tragen einer FFP2-Maske verpflichtend sein. Zudem gelte künftig eine Quadratmeterbegrenzung von 20, statt wie bisher zehn. Geöffnet werden unter diesen Voraussetzungen auch Museen, Bibliotheken und Tiergärten.
Körpernahe Dienstleister wie Friseure dürfen ebenfalls wieder aufsperren, hier sollen nun die „Eintrittstests“ zum Einsatz kommen. Das habe man ja bereits gesetzlich geregelt. Ein solches negatives Testergebnis dürfe nicht älter als 48 Stunden sein und kann im privaten Bereich, etwa in der Apotheke, erfolgen oder beim Arzt. Zudem gebe kostenlose Angebote in den Bundesländern.
Nächtliche Ausgangsbeschränkungen bleiben aufrecht
Ab 8. Februar dürfen einander wieder zwei Haushalte treffen, die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen zwischen 20.00 und 6.00 Uhr bleiben aufrecht. Verschärfungen soll es im Bereich der Strafen bei Verstößen gegen die CoV-Regeln geben sowie bei den Grenzkontrollen.
Man hab sich mit den Ländern auf eine gemeinsame Vorgehensweise geeinigt, „obwohl die Ausgangslage alles andere als einfach ist“, so Kurz. Die gute Nachricht sei: Der Lockdown habe in Österreich Wirkung gezeigt. Die schlechte Nachricht, dass sich die Mutationen aus Großbritannien und Südafrika ausbreiteten und auch auswirkten. „Sie fressen den Erfolg des Lockdowns auf“, sagte Kurz. Von einer idealen 7-Tage-Inzidenz von 50 sei man noch weit entfernt. Daher habe man sich neben den vorsichtigen Lockerungen auch auf andere Sicherungsschritte und Verschärfungen in anderen Bereichen verständigt. Man habe auch das Bedürfnis der Kinder, wieder in die Schule zu gehen, und das Ziel, die Arbeitslosigkeit gering zu halten, und soziale und psychische Effekte einbeziehen müssen.
Nächste Evaluierung in zwei Wochen
Das nächste Mal Bilanz zieht die Regierung laut Kurz in zwei Wochen. Da wird dann über allfällige weitere Lockerungen entschieden oder aber auch reagiert, sollten sich die Zahlen verschlechtern. Sollte wieder ein exponentielles Wachstum eintreten, was laut Kurz ein realistisches Szenario sei, wird wieder verschärft, kündigte der Kanzler an.
Die Lockerungen kommen, obwohl das Ziel von rund 700 Fällen pro Tag trotz der diversen Einschränkungen bei Weitem nicht erreicht wurde und es angesichts der seit Wochen stagnierenden Zahlen unwahrscheinlich ist, dass der gewünschte Wert bald realisierbar sein wird.
Opposition geteilter Ansicht
Unterschiedliche Reaktionen kamen am Montag von der Opposition. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigte sich sehr skeptisch, ihr gehen die Lockerungen eigentlich zu weit. Die Schulöffnung – mit den Selbsttests – erachtete zwar auch Rendi-Wagner als „richtig und notwendig“. Aber mit den Lockerungen darüber hinaus „geht die Bundesregierung ein großes Risiko ein“. Die Infektionszahlen seien immer noch sehr hoch. Die Regierung rücke von ihrem selbst gesteckten Ziel (700 Neuinfektionen pro Tag) ab. „Ich hoffe sehr, dass die Regierung dieses Risiko kontrollieren kann“, so die SPÖ-Chefin. Scheitere man daran, „droht in wenigen Wochen die dritte Welle und der nächste Lockdown. Die Verantwortung dafür trägt die Bundesregierung.“
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich zufrieden: „Es wird genau das umgesetzt, was wir am Wochenende gefordert haben“, sagte sie. Freilich solle aber die Möglichkeit der Tests in Schulen und bei körpernahen Dienstleistern „gut genutzt“ werden. Sie wies darauf hin, dass auch niederschwellige Testmöglichkeiten in Betrieben möglich gemacht und als Bestätigung herangezogen werden könnten. Wichtig wäre zudem, dass die digitale Kontaktnachverfolgung weiter ausgebaut werde.
FPÖ-Chef Norbert Hofer greifen die Öffnungen zu kurz: Nicht nur der Handel, auch Hotellerie und Gastronomie sollten geöffnet werden, damit die Menschen in Cafes und Restaurants gehen können – und sich nicht weiterhin im privaten Bereich, wo keine Sicherheitsregeln eingehalten werden – anstecken. Diesen „Hotspot des Infektionsgeschehens“ habe die Regierung nicht entschärft. Die Öffnung des Handels hielt Hofer für gut, aber Tests vor dem Besuch privater Dienstleister lehnte er ab. Das schaffe eine „Zweiklassengesellschaft“.
Auf Lockerungen gehofft
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hatte zuvor schon vorsichtige Öffnungsschritte bestätigt. Die Gefahr durch die Pandemie sei aber immer latent, betonte er. Die Notwendigkeit, ein Signal zu setzen, strich Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hervor. Immerhin seien 65 Prozent der Ansteckungen in seinem Bundesland auf den privaten Bereich zurückzuführen.
Der Handel begrüßte am Montag die Öffnung unter Auflagen als „Hilfe zur Selbsthilfe“, nachdem „aktuell fast ein Drittel der Händler von Zahlungsunfähigkeit betroffen ist“, so Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme. Die Verlängerung des Lockdowns für die Hotellerie und Gastronomie habe allerdings einen sehr negativen Einfluss auf die Kundenfrequenzen und damit auch auf die Umsätze im Handel. „Diese indirekt vom Lockdown betroffenen Betriebe warten seit Monaten auf die entsprechende Richtlinie und somit auch auf die Auszahlung der Corona-Hilfen“, so Will.
Friseure erleichtert
Auch Wirtschaftskammer (WKÖ), Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung (IV) begrüßten die Lockerungen als wichtiges Signal. „Das ist ein erster Schritt zurück in die Normalität“, sagte WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik am Montagabend zur APA. Für eine hohe Kundenfrequenz würden aber die Gastronomie und der Tourismus fehlen. Die Obfrau der WKÖ-Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster, zeigte sich erfreut über die Öffnungsschritte, auch „wenn sie sehr vorsichtig ausfallen“: „Es ist ganz entscheidend, den Betrieben und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine klare Perspektive zu geben.“
Für die Friseurbranche mit 9.000 Unternehmen und über 17.000 Beschäftigten sei das „ein großes Aufatmen“, sagte Bundesinnungsmeister Wolfgang Eder: „Dafür nehmen wir auch stärkere Auflagen in Kauf.“ Die künftig verpflichtenden „Eintrittstests“, die nicht älter als 48 Stunden sein dürfen, bezeichnete Eder als „sinnvoll“. Erfreut zeigten sich auch Direktoren von Museen in Wien über die Öffnung ab 8. Februar. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bezeichnete alle bevorstehenden Lockerungen als „guten Kompromiss“ – mehr dazu in wien.ORF.at.
Hotels und Gastro enttäuscht
Gastronomie und Hotellerie hingegen müssen geschlossen bleiben. „Für uns war klar, dass der Februar für uns geschlossen bleiben wird“, sagte der Gastronomie-Spartenobmann in der Wirtschaftskammer, Mario Pulker, zur APA. „Das ist beim letzten Gespräch mit dem Bundeskanzler klar kommuniziert worden. Die Öffnungsschritte sind mutig, und wir wären da gern dabei gewesen, aber das spielt’s eben nicht.“ Auch wenn sich das bereits abgezeichnet habe, es „schlägt wieder enorm aufs Gemüt“, so die Präsidentin der Hotellerievereinigung (ÖHV), Michaela Reitterer. „Wir alle brauchen dringend eine Perspektive, Arbeitgeber und Arbeitnehmer“, so Reitterer.
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