COMMUNITY EMPÖRT: Blockade beim Zoll – Lego kämpft mit harten Bandagen für sein Monopol

Ein deutscher Youtuber und Händler alternativer Bausteine will sich nicht aus dem Markt drängen lassen und zog gegen Lego vor Gericht

Viele Eltern wissen nicht, dass ihre Kinder gerne mit Klemmbausteinen spielen. Sagt man dazu, dass es sich dabei um Lego handelt, ist die Sache klar. Der dänische Spielwarenkonzern dominiert mit seinen bunten Bauklötzen den Markt derart, dass sein Name gerne synonym für das Produkt verwendet wird – so wie bei Tixo, Plexiglas oder Fö(h)n. Um sein Monopol zu verteidigen, geht der weltgrößte Spielzeughersteller hart gegen aufstrebende Anbieter von Klemmbausteinen vor. Als Waffe dienen Lego seine letzten bestehenden Patent- und Markenrechte.

Einem kleinen Spielwarenhändler aus dem deutschen Örtchen Bad Lippspringe in Nordrhein-Westfalen wurde das fast zum Verhängnis. Der Inhaber des Geschäfts Steingemachtes, Thorsten Klahold, ist Generalimporteur des chinesischen Bausteinherstellers Qman (gesprochen: „kjumen“). Die Sets sind kompatibel mit Lego, enthalten aber eigene Designs von der Prinzessinnenburg bis zum Rennauto. Im Februar erwartete Klahold eine Lieferung von 13.000 Bausets im Wert von rund 60.000 Euro. Stattdessen erhielt er einen Brief vom Zoll, dass sein Container festgehalten wird. Laut Anwaltsbrief handle es sich möglicherweise um Plagiate. Was plagiiert worden sei, sagte man nicht dazu.

Lego ist der Dinosaurier unter den Klemmbaustein-Herstellern. Gefährlicher Meteoroid ist noch keiner in Sicht, aber der Platz auf der Erde wird knapper.

Schnell enttarnter Gegner

Woher der Wind weht, war Klahold klar. Hatte Lego doch im Dezember bereits von ihm verlangt, den Verkauf der Qman-Bausets zu unterlassen. Kompatible Steine zu bauen ist seit Jahren erlaubt.

Noch hält Lego die sogenannten 3-D-Markenrechte auf seine Spielfiguren. Die scheitelgenoppten Zylinderschädel sollen die Marke unverwechselbar machen. Die Qman-Figuren haben dagegen einen größeren, konischen und sichtlich hohlen Kopf. Den Chinesen zufolge hat man das Figurendesign bewusst von jenem des „bekannten dänischen Herstellers“ abgewandelt, um dessen Markenrechte nicht zu verletzen. Genutzt hat das nicht. Lego stoppte die Lieferungen rein auf Plagiatsverdacht hin.

Klahold musste Einspruch beim Zoll erheben, sonst wäre die Ware vernichtet worden. Der Unternehmer wusste, dass er sich mit den Lagerkosten und einem Rechtsstreit auf eine teure Auseinandersetzung mit dem größten Spielzeugkonzern einlässt. Doch er bekam Rückendeckung, Qman erklärte sich bereit, die Prozesskosten zu übernehmen.

Unmut in der Community

Dass Lego offenbar keine Konkurrenz zulassen will, sorgt auch für Unmut in der Community. Klahold erreichte über seinen Youtube-Kanal „Johnny’s World“ hunderttausende Menschen mit seiner Geschichte, nicht lange, bevor es auch Medien aufgegriffen. „In den 90ern hätte Lego mich plattmachen können, und es hätte niemand gemerkt, doch jetzt wird klar: Wir sind viele,“ sagte Klahold der Regionalzeitung „Neue Westfälische“.

Johnny’s World

Außerdem startete der Youtuber eine Spendenaktion, um Lego zu zeigen, dass sich Ärger in der Bausteincommunity breitmacht. Bisher wurden knapp eine halbe Million Euro gesammelt, um Klemmbausteine alternativer Anbieter an Kinderheime zu verteilen. „Damit wollen wir ein Signal an Lego senden, dass ihre Firmen-, Preis- und Produktpolitik nicht mehr zu der Firma passt, die sie in unserer Kindheit einmal war“, heißt es in dem Spendenaufruf.

David lehnt Goliaths Angebot ab

Nach einiger Zeit outete sich Lego als Initiator der Beschlagnahmung und bot dem deutschen Geschäftsmann an, dass er seine Lieferung entgegennehmen könne. Jene Sets ohne Spielfiguren mussten ohnehin freigegeben werden. Das große „Aber“ im Angebot: Lego würde nicht auf Ansprüche verzichten, die eigenen Markenrechte künftig durchzusetzen. Der aufgestachelte Youtuber lehnte ab, denn er würde weiter beim Zoll auf einer EU-weiten schwarzen Liste potenzieller Urheberrechtsverletzer stehen. Damit dürften seine Bestellungen weiter strenger geprüft werden, was jedes Mal mit erheblichen Zusatzkosten verbunden wäre. Die Sache ging vor Gericht.

Lego siegt vor Gericht

Im Verfahren behielt der Spielzeugriese die Oberhand. Das Europäische Gericht hat in einem am Mittwoch bekanntgegebenen Urteil entschieden, dass das Design der Bausteine schutzwürdig ist. Damit kassiert das Gericht eine Entscheidung des Amts der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO), das ein Geschmacksmuster eines Bausteins für nichtig erklärt hatte.

Bisher haben Gerichte diese Frage bejaht und somit anderen Unternehmen – die ihre Produkte in der Regel günstiger anbieten – ermöglicht, ebenfalls Klemmbausteine herzustellen und zu verkaufen. Nach EU-Recht sind technische Lösungen nur eine begrenzte Zeit schutzfähig, damit sollen Monopole verhindert werden. Das Urteil könnte dazu führen, dass andere Anbieter wegen des schutzwürdigen Designs der Legosteine nun ihre Produkte möglicherweise nicht mehr in der klassischen Form herstellen können.

Welcher Stein ist der echte? Seit 2010 dürfen Klemmbausteine verkauft werden, die mit Lego kompatibel sind.

„Kleine Überraschung“

„Die Entscheidung ist eine kleine Überraschung“, sagte Nikolas Gregor, nicht an dem Verfahren beteiligter Rechtsanwalt der Kanzlei CMS. Dieses besagt, dass Legosteine nicht als Marke geschützt werden können. Zwar geht es in diesem Fall um Design- und nicht um Markenschutz, „aber viele haben damit gerechnet, dass das Europäische Gericht dem Legostein aus dem gleichen Grund den Schutz versagt“, so der Jurist. In der Mitteilung zum Urteil wirft das EU-G dem EUIPO zudem Rechtsfehler vor.

Es habe versäumt eine Ausnahmeregelung zu prüfen, die unter anderem besagt, dass die Verbindungselemente der Bausteine „ein wichtiges Element der innovativen Merkmale von Kombinationsteilen bilden und einen wesentlichen Faktor für das Marketing darstellen“ kann. Außerdem seien nicht alle Erscheinungsmerkmale geprüft worden. Konkret geht es um zwei Seiten des Bausteins, die eine glatte Oberfläche haben. „Das Europäische Amt für Geistiges Eigentum muss nun neu entscheiden – und danach möglicherweise wieder die Europäischen Gerichte“, prognostiziert Gregor.

Kooperation mit Zoll

Lego selbst äußert sich auf Anfrage des STANDARD vor der Verhandlung mit einer vorgefertigten Antwort. Nachahmer würden weltweit beobachtet, um die Markenrechte, Patente sowie das geistige Eigentum zu schützen. Wie viele andere globale Marken kooperiere man deswegen mit dem Zoll, um gegen den Handel mit Nachahmungsprodukten und mögliche rechtliche Verstöße vorzugehen. In der Vergangenheit kolportiert wurde auch das Argument, dass Lego seine Marke aktiv schützen müsse, sonst gehe sie verloren. Das mag bei Wortmarken wie „Lego“ eine Rolle spielen, kaum aber bei den Figuren.

Denn nur unter bestimmten Umständen kann ein Markeninhaber verpflichtet sein, Markenverletzungen zu ahnden, um seine Rechte nicht zu verlieren. „Wenn die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers zur gebräuchlichen Bezeichnung geworden ist, kann die Löschung einer Marke beantragt werden“, heißt es auf Anfrage beim deutschen Patentamt. Es gibt aber keine generelle Pflicht, seine Markenrechte durchzusetzen, um nicht Gefahr zu laufen, sie zu verlieren.

Sechs derartige Lego-Bausteine lassen sich in 915 Millionen Kombinationen zusammenbauen.

Déjà-vu

Wem der Streit „Lego gegen Youtuber“ bekannt vorkommt, der irrt nicht. Der als „Held der Steine“ bekannte Thomas Panke betreibt einen Youtube-Channel mit mehr als 670.000 Followern. Lego kommt bei seinen Rezensionen öfters schlecht weg. Mal kritisierte er die hohen Preise, ein anderes Mal wies er auf Qualitätsmängel hin. Panke wollte sein Firmenlogo markenrechtlich schützen lassen. Wie berichtet, schaltete der dänische Konzern daraufhin seine Anwälte ein. Nach Aufruhr im Netz wurde der Streit schnell ad acta gelegt.

Der Streit um die Steinchen weckt ebenfalls Erinnerungen. Wie eingangs erwähnt, entschied der Europäische Gerichtshof 2010, dass die Bausteine keine geschützte Marke seien. Sie würden wegen der Funktionalität und nicht wegen des Designs so gebaut. Damals lag Lego mit einem kanadischen Konkurrenten im Clinch. Die Entscheidung war folgenschwer, plötzlich drängten Unternehmen wie Bluebrixx aus Deutschland, Cobi aus Polen sowie die chinesischen Hersteller BangBao und eben Qman in den Markt.

Held der Steine Inh. Thomas Panke

Konkurrenz in China

China gilt als bedeutendster Wachstumsmarkt für Lego, deswegen verwundert es wenig, dass die Dänen harte Maßnahmen gegen den kleinen deutschen Importeuer Klahold ergreifen. Denn er stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen China und dem deutschen Markt dar. In China ist Qman längst etabliert. Laut Eigenangaben könne die Firma über 45 Millionen Sets pro Jahr fabrizieren. Über 80 neue Flagshipstores wolle Qman in der Volksrepublik eröffnen, sagt Klahold in einem seiner Videos.

Durch den ganzen Wirbel rund um seine Sets habe Qman mitbekommen, welches Interesse am deutschen Markt vorhanden sei. Jetzt laufe die Standortsuche für einen Flagshipstore in Deutschland. Dort werden dann womöglich Figuren verkauft, die nach den Einwänden von Lego leicht adaptiert wurden. Ob die ganze Aktion unterm Strich für die Dänen nach hinten losgeht, dürfte im Lego-Hauptquartier noch für Debatten sorgen. Die Lektion könnte lauten: Wer im Legohaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. (Andreas Danzer, Leopold Stefan, 24.3.2021)

Der Artikel wurde um 16.45 Uhr um das Urteil zugunsten von Lego aktualisiert.

Lego in Zahlen:

Der Tischlermeister Ole Kirk Kristiansen gründete Lego im Jahr 1932, das Unternehmen ist immer noch in Familienbesitz. Anfangs waren die Produkte aus Holz, auf Plastik wurde erst 1949 umgestellt. Heute beschäftigt Lego weltweit rund 16.000 Menschen und betreibt Fabriken in Dänemark, Ungarn, Tschechien, Mexiko und China. Der Umsatz lag 2020 bei 5,9 Milliarden Euro, der Gewinn bei 1,7 Milliarden. Weltweit betreibt der Konzern 570 Geschäfte. In China verbucht Lego ein jährliches Wachstum im zweistelligen Bereich.

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