GIVE PEACE A CHANCE ist eine der populärsten Hymnen der Friedensbewegung der 1970er-Jahre. Die Besonderheit des Songs rührt unter anderem aus seiner außergewöhnlichen Entstehungsgeschichte, die Teil einer Friedensaktion war.
John Lennon & Yoko Ono
I. Entstehungsgeschichte
Zwei Monate nach ihrer Hochzeit im März 1969 veranstalteten John Lennon und Yoko Ono ihr zweites Bed-In im Zimmer 1742 des Queen Elizabeth Hotel in Montreal. Die zuvor geplante Einreise in die USA war nicht genehmigt worden, was mit einer Vorstrafe John Lennons wegen Cannabisbesitzes begründet wurde. Das Bed-In dauerte vom 26. Mai bis zum 2. Juni 1969. Während dieser Zeit saßen die beiden nebeneinander im Bett, empfingen Gäste, gaben Interviews und nahmen den Song GIVE PEACE A CHANCE auf (vgl. McGrath 2009: 9, Ash 2010: 755f.).
Die Begründung für ihre Aktion war, dass Demonstrationen die Öffentlichkeit zunehmend gleichgültig ließen und man die Menschen über ein Bed-In auf anderem Wege auf Probleme aufmerksam machen könne (vgl. McGrath 2009: 58). Mit ihrer Botschaft „Sex für den Frieden“ wollten Lennon und Ono humorvoll für Frieden werben. Ihr Statement sollte nicht so ernst wirken wie das von Martin Luther King oder Gandhi. Die traurige Ironie bei ihrer Entscheidung bestand jedoch darin, dass sie meinten, nur ernste Friedensaktivisten wie King und Gandhi würden erschossen (vgl. MacGrath 2009: 4, Childs 2009: 59).
GIVE PEACE A CHANCE entstand spontan während des Bed-Ins. „All we are saying is: give peace a chance“ hatte Lennon auf Wunsch eines Journalisten nach einer Zusammenfassung gesagt. Daraus hatte John einen Song entwickelt, der sich an vielen Stellen auf die Menschen, die zu Besuch waren oder die er gerne zu Besuch gehabt hätte und auf Themen, die besprochen wurden, bezieht. John Lennon schrieb den Text auf ein großes Plakat, damit alle mitsingen konnten. Unter den Gästen waren neben Politikern und Reportern auch Hare-Krishna-Anhänger aus Montreal anwesend (vgl. Norman 2008: 756f., McGrath 2009: 10f.). Auch Teilnehmer einer Love-In-Demonstration drängten sich Lennons Bitten zum Trotz in den siebzehnten Stock des Hotels hinauf. Sie zogen friedlich wieder ab, nachdem Lennon mit einer von ihnen ausgewählten Delegierten gesprochen hatte und sie bat, wieder auf den Mount Royal zurückzukehren (vgl. Glanville-Brown 2009: 23).
GIVE PEACE A CHANCE wurde durch den aufzeichnenden Musikproduzenten André Perry noch zusätzlich nachbearbeitet. Um die Tonqualität zu verbessern ohne den Charakter der Aufnahme zu verändern, mischte er Laien-Background-Sänger mit ein (vgl. Perry 2008: 53–57).
II. Kontext
Die Entstehungszeit des Songs war geprägt von Protestbewegungen der jüngeren Generation gegen politische, soziale und kulturelle Missstände, die unter anderem die Konfliktfelder Rassentrennung, Vietnam und Studentenproteste betrafen (vgl. Ash 2010: 97–99). Im Jahr 1964 verfestigten sich die studentischen Forderungen im sogenannten „Free Speech Movement“ an der Universität in Berkeley. Die studentischen Proteste wurden schließlich zum zentralen Movens der Anti-Vietnamkrieg-Bewegung, als Präsident Johnson – in Manier seines Amtsvorgängers John F. Kennedy – das amerikanische Engagement im Vietnam mit einer Verstärkung der Truppen weiter ausbaute (vgl. Ash 2010: 102).
John Lennon nahm, genauso wie seine Frau Yoko, bereits vor Veröffentlichung von GIVE PEACE A CHANCE eine wichtige Rolle in dieser Friedensbewegung ein. Als zur Zeit des Bed-Ins Studenten der Universität in Berkeley offen protestierten, stand John Lennon über Funk mit den Anführern in Kontakt und hielt sie dazu an, keinesfalls zu Gewalt zu greifen und sich nicht von anwesenden Polizisten provozieren zu lassen. (vgl. Norman 2008: 756)
Bereits am 11. August 1966 hatte John Lennon die jüngste Bombardierung Hanois verurteilt, womit er einer der ersten bedeutenden Popstars war, die sich gegen den Vietnamkrieg stellten. Eine Woche später gaben die übrigen Beatles ein gleichlautendes Statement ab. Neben seiner Teilnahme bei der Anti-Kriegs-Satire How I Won the War unter der Regie von Richard Lester im Jahr 1967, spielte Lennon mit den anderen drei Beatles „All You Need is Love“ im Rahmen der weltweiten Fernsehübertragung Our World. Auch zusammen mit Yoko Ono setzte sich John mithilfe künstlerischer Aktionen für den Frieden ein: das Paar pflanzte zwei Eicheln als Symbol für die friedliche Begegnung von Ost und West und veranstaltete zwei Bed-Ins (vgl. MacGrath 2009: 9).
Die Beatles hatten sich zu dieser Zeit bereits stark auseinander entwickelt. Besonders John Lennon ging seiner eigenen Wege. GIVE PEACE A CHANCE war das erste Lied der Plastic Ono Band, die er mit Yoko Ono gründete. Doch obwohl Lennon für die Beatles keine Zukunft sah, gab er einer Beatles-Tradition folgend Paul McCartney als Koautor an und nicht Yoko Ono, was er später schwer bereute (vgl. Norman 2008: 758–759).
III. Analyse
GIVE PEACE A CHANCE dauert 4:54 Minuten und besteht aus vier Strophen sowie dem prägnanten Refrain „All we are saying is give peace a chance“. John Lennon und Tom Smothers spielen Gitarre und singen, ebenso Yoko Ono. Auch alle Besucher, die zur Zeit der Aufnahme im Hotelzimmer anwesend waren, singen, klatschen und trommeln im Hintergrund vor allem beim Refrain mit. Der Fotograf Gerry Deiter ist der Einzige, der das Bed-In die ganze Woche lang aufgenommen hat. Seine Fotos haben die Atmosphäre während der Friedensaktion hervorragend festgehalten. Auf ihnen sind sowohl die begeistert klatschenden Mitwirkenden bei der Aufnahme des Songs als auch John und Yoko, die einträchtig in Pyjama und Nachthemd nebeneinander auf dem Bett sitzen, zu sehen (vgl. MacGrath 2009).
Da GIVE PEACE A CHANCE quasi beiläufig während der Diskussionen und Interviews entstand, wirkt es reduziert. Dieser Eindruck wird durch die Einfachheit der Harmonie und Akkordabfolge noch verstärkt. Applaus und Jubel am Ende des Liedes unterstreichen die Aufbruchstimmung, die der Song vermitteln soll. Das Publikum mitsingen zu lassen, reiht sich in die Tradition der amerikanischen Hootenannys ein und macht GIVE PEACE A CHANCE zu einem sehr demokratisch wirkenden Song. Das motivierte Singen der Besucher kongruiert mit der Idee des Liedes, dass möglichst viele Menschen die Friedensbotschaft, die John Lennon mit dem Lied vermitteln wollte, in die Welt tragen sollen. Das Klatschen und der Gesang vieler Stimmen erinnert zudem an einen Worksong – oder auch textlich gesehen eine Art Gospel. Der Song ist in Dur einfach gehalten und vermittelt eine positive Stimmung.
GIVE PEACE A CHANCE hat einen 4/4-Takt, bei dem das erste und das dritte Viertel vor allem durch Trommeln auf zufällig vorhandenen Gegenständen und Stampfen hervorgehoben wird, wohingegen beim zweiten und vierten Viertel Klatschen vorherrscht. Dieser Aufbau verleiht dem Song einen Marschcharakter bzw. unterstreicht den Mantra-Charakter, der durch die ständigen Wiederholungen des Textes und der Melodie entsteht. John Lennon war gut mit Mantras vertraut. Diese Tatsache lässt sich biographisch erklären, da er zusammen mit den übrigen Beatles mehrere Wochen bei Maharishi Mahesh Yogi in Indien verbracht hatte (vgl. Norman 2008: 665 – 671).
In den Strophen zählt John Lennon eine Reihe mehr oder weniger willkürlich zusammengestellter Begriffe auf, die zum Teil sogar frei erfunden sind: „Bagism, Shagism, Dragism, Madism, Ragism, Tagism“. Die Diskussionen, die jeder („Everybody’s talking about“) in der Friedensbewegung zu dieser Zeit führt, stellt er mit seiner wilden Zusammenstellung von Wörtern als sinnloses „Blabla“ dar, welche er mit „this-ism, that-ism, is-m is-m is-m“ zusammenfasst.
Durch die Aneinanderreihung bestimmter Begriffe, stellt er zudem eine bestimmte Wertigkeit her. Bedeutsames, z.B. politische Posten, nennt er in einem Atemzug mit Belanglosigkeiten, so werden „ministers“ und „canisters“ auf dieselbe Ebene gestellt. Die Abwertung wird durch die Art, mit der er die Begriffe „herunterleiert“ noch verstärkt. Zunächst stand in einer Reihe mit „revolution“ und „evolution“ auch „masturbation“, womit Lennon gegen bestehende Tabus aufbegehren wollte. Er ersetzte den Begriff dann jedoch durch das harmlose und ähnlich klingende Wort „mastication“. Da ihm die Herausgabe seines Liedes an sich das wichtigste schien, war er dazu bereit mit Provokationen zurückzuhalten und Ärger zu vermeiden (vgl. Norman 2008: 757).
Im Gegensatz zu den bis dato breit gestreuten Diskussionen und Meinungen innerhalb der Friedensbewegung forderte John Lennon nun Zusammenhalt unter der wesentlichen Forderung, dem Frieden eine Chance zu geben. Diese Veränderung in der Wahrnehmung der eigenen Position ist kennzeichnend für die realistische Wende der Aktivisten, die zu dieser Zeit stattfand.
IV. Rezeption
Der wesentliche Erfolg des Songs GIVE PEACE A CHANCE liegt in seiner emotionalen Einfachheit, wie die zahlreichen Samples unterschiedlichster Musikstile zeigen. Auch vierzig Jahre später wird das Lied als Friedensaufruf verwendet. Zuletzt im Jahr 2007 auf dem Album Instant Karma – The Amnesty International Campaign to Save Darfur, das als Kompilation zahlreicher Lieder aus der Solokarriere von John Lennon Opfern des Darfur-Konflikt helfen sollte.
Aber auch kommerziell waren John Lennon und Yoko Ono erfolgreich: in den Billboard Hot 100 konnten sie Platz 14 verbuchen, sowie Platz 2 in den britischen Singlecharts, Platz 1 in den Niederlanden und Platz 4 in Deutschland.
Credits
Lead-Gesang, Gitarre: John Lennon
Gitarre, Gesang: Tom Smothers
Hintergrundgesang, Tamburin, Klatschen: Yoko Ono u.a.
Nachbearbeitung: André Perry
Text: Lennon – McCartney
Produzenten: John Lennon, Yoko Ono
Label: Apple Records
Aufnahmedatum: 01. Juni 1969
Länge: 4:54
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