Abzocke  PYRAMIDENSPIEL Lyconet, My World und Lyoeness? Wie Lyconet und Co ihre Kunden mit Rabatten abzocken

Verbot in Norwegen, Steuerschulden in der Türkei, Strafen in Italien: Trotz vieler Konflikte mit den Behörden werben Lyconet und My World weiter um Mitglieder, die über Gutscheine Einkommen generieren sollen.

Geld zurück, wenn andere shoppen? Das was zu schön klingt, um wahr zu sein, ist es meist auch. Lyoness, Lyconet oder MyWorld ziehen mit dieser Masche immer noch Kunden an, die an „Clouds“ und Punkten verdienen sollen. Übrig bleiben meist Klagen um Schadenersatz.

Eigentlich wollte Nina G.* ihr Geld gut anlegen:

Die Sparzinsen waren im Keller, Aktien für sie zu unsicher, also investierte die 42-jährige Supermarktangestellte aus Niederösterreich in Angebote der Rabattfirma Lyoness. Es klang verlockend: Mit Cloud-Paketen wurden ihr Anteile an einem Shoppingvolumen versprochen, das Kunden in anderen Ländern durch die Teilnahme an einem Cashback-System generieren. Sprich, wer in Möbelgeschäften, Supermärkten oder Restaurants im Lyoness-Netzwerk shoppte, sorgte dafür, dass G. virtuelle Punkte erhielt, die wiederum ein regelmäßiges, „passives Einkommen“ garantieren sollen. So das Versprechen.

Von den mehr als 35.000 Euro, die Nina G. innerhalb eines Jahres investierte, sah sie keinen Cent.

Laut Lyoness hätte G. weitere Personen anwerben oder weitere Clouds kaufen müssen, um nicht im internen „Karrieresystem“ zurückgestuft zu werden. Erst nach einem zermürbenden Prozess wurde ihr im Februar vom OLG Wien die volle Summe zugesprochen. Das Gericht stellte fest, dass das Geld „versickern“ würde. Die Vergütungsregeln von Lyoness seien „in höchstem Maß intransparent“.

Etliche Geschädigte

G. ist nicht allein: Das Cashback-Programm von Lyoness, das jetzt unter My World firmiert, zählt nach eigenen Angaben rund 15 Millionen Shopper weltweit. Über 600.000 sollen es in Österreich sein. Lyconet nennt sich die derzeitige Firma, die für die Vermarktung zuständig ist. Nach eigenen Angaben zählt sie eine halbe Million Marketer, 13.700 davon in Österreich. Diese seien laut Lyconet selbstständige Unternehmer, die weitere Menschen für das Rabattsystem anwerben, aber auch selbst investieren. Im Fall von G. urteilte das Gericht gegen diese Unternehmerkonstruktion: G. sei als Verbraucherin zu werten, die Gutscheine erwarb, um eine versprochene Vergütung zu erhalten.

Im Oktober 2018 entschied der OGH bereits, dass es sich bei der damaligen Geschäftspraxis von Lyoness vor 2014 um ein Schneeballsystem handelt. Die Firmen gaben sich nach und nach einen neuen Anstrich. Offiziell bestreiten Lyconet und My World, Rechtsnachfolger von Lyoness zu sein. Das Firmenbuch allerdings zeigt: Der Grazer Lyoness-Gründer Hubert Freidl – er hat seinen Wohnsitz in Monaco – ist derzeit alleiniger Gesellschafter der Glenside Holding GmbH, die früher Lyconet hieß. Und die My World AG 360 nannte sich historisch Lyoness Group AG und Lyoness Cashback AG.

Der Wiener Anwalt Josef Fromhold, der G. und rund 2500 Lyoness-Geschädigte vertreten hat, sieht auch in der Geschäftspraxis Ähnlichkeiten: Lyoness, Lyconet und My World würden mit Geschäftsbedingungen arbeiten, die sie in periodischen Abständen zulasten ihrer Kunden ändern. Die beworbene „Einkaufsgemeinschaft“ sei ein „Potemkin’sches Dorf“ und nur die „Fassade für ein verdecktes Kapitalanlagemodell“.

Auch im Fall von G. war es undurchsichtig:

Lyoness war Vertragspartner für die Clouds, andere Vereinbarungen waren mit Lyconet tituliert, und für das Cashback-Programm war My World angegeben. Auf STANDARD-Anfrage antwortete bei Lyconet, My World und Lyoness eine PR-Agentur für alle Unternehmen, betonte aber zugleich, dass diese nicht zusammenhängen würden. Nina G. sei außerdem ein Einzelfall und die betroffenen Produkte der Lyoness Europe AG wären nicht mehr im Angebot, Lyconet und My World hätten diese Produkte nie angeboten.

Hohe Strafen in Italien

In Österreich erkämpfen Geschädigte ihre Forderungen laufend vor Gericht, in anderen Ländern werden die Behörden aktiv. In Italien verhängte die Wettbewerbsbehörde vergangenen Dezember eine Strafe von drei Millionen Euro gegen Lyconet Italien und My World Italien. Die Behörde folgerte, dass der Cashback-Dienst nur ein Vorwand sei, um andere anzuwerben und um Lyconet-Produkte wie etwa Cloud-Beteiligungen zu verkaufen. Diese Clouds hätten aber keinen Bezug zu einer realen wirtschaftlichen Tätigkeit: Ein pyramidenförmiges Geschäftsmodell, das einzustellen sei, so die Behörde. In Österreich hieß es aus den Unternehmen dazu: Die Entscheidung betreffe nur ein Produkt, das seit März 2020 nicht mehr angeboten werde. Auch in Norwegen folgerte die Lotteriebehörde, dass die Aktivitäten von Lyoness, My World, Lyconet und Cashback einzustellen seien. Es handle sich um ein illegales, pyramidenähnliches Umsatzsystem. Die Behörde teilt mit, dass es allein in Norwegen rund 16.000 Geschädigte gebe und sich immer noch Menschen beschweren. Lyconet selbst habe der Behörde angekündigt, das Geschäft weiterführen zu wollen. Auf Nachfrage ließen die Unternehmen wissen, dass das Verbot lediglich Lyoness Norway und Lyoness Europe AG betreffe, nicht aber die My World Nordic AS oder die Lyconet Global AG.

Steuerschulden in Türkei

In der Türkei steht Lyoness tief in der Kreide: Die Finanzbehörden verlangen rund 17 Millionen Euro Steuern von Lyoness. Dem STANDARD liegen entsprechende Unterlagen türkischer Behörden vor. Aus Untersuchungen der Jahre 2011 bis 2013 gehe hervor, dass der türkische Ableger von Lyoness zur Gänze der Lyoness Europe AG mit Sitz in der Schweiz gehört und nach einem pyramidenförmigen System agiert habe. Im geprüften Zeitraum sollen keine Steuern bezahlt worden sein. Aus den Konzernen heißt es dazu, dass es nur den türkischen Ableger von Lyoness betreffe und die Einnahmen in der Schweiz bilanziert und versteuert worden seien.

Während sich die Schlinge für Lyoness-Gründer Freidl und Co immer weiter zuzieht, sieht My World nur einen „nächsten logischen Schritt“: den Börsengang. In einem Onlineseminar Anfang Juli, an dem DER STANDARD teilnahm, wurde mit künftigen Aktien geworben: Wer jetzt virtuelle Punkte in Form von Clouds oder Rabattgutscheinen kaufe, könne diese beim Börsengang direkt in Aktien umwechseln. Jeden Monat käme es dann zu Ausschüttungen. Verglichen wurde My World mit nicht geringeren Firmen als Apple oder Google. Allerdings warnte die Seminarleiterin auch: Nach außen dürfe das Wort Aktie nicht in den Mund genommen werden, weil das strafrechtlich relevant wäre.

DER STANDARD bat auch hier um eine Stellungnahme und lernte, dass diese Punkte unabhängig vom geplanten Börsengang in Firmenanteile umgewandelt werden. Allerdings könne man die Punkte nicht kaufen, lediglich Gutscheine. Die Punkte seien ein „kostenloses Incentive“.

In internen Unterlagen zum Börsengang, die vom Februar dieses Jahres datieren, wird der internationale Wirtschaftsberater Deloitte erwähnt. In einem Online-Video sagte Freidl, „die Börsenexperten von Deloitte“ würden beim Börsengang von My World mit einem „höherstelligen Milliardenbetrag“ rechnen. Auf Anfrage bestreitet Deloitte einen angeblichen Auftrag. Von My World heißt es auf STANDARD-Anfrage: Deloitte Österreich wickle die Steuerprüfung in Österreich ab und habe sehr wohl erste Berechnungsmodelle abgegeben.

Unter Beobachtung

In Österreich wurde bereits die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Lyoness aktiv. Die Ermittlungen wegen Verdachts auf Betrug und Pyramidenspiel wurden 2016 mangels nachweisbaren Vorsatzes eingestellt. 2019 stellte die WKStA auch ihre Ermittlungen wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen das Kapitalmarktgesetz ein. Konfliktmanager Ben Ecker, der damals Akteneinsicht hatte, ortet Versäumnisse bei den Behörden: So sei eine geplante Hausdurchsuchung kurzfristig abgesagt worden, ein von der WKStA in Auftrag gegebenes Wirtschaftsgutachten ignoriert und generell sei schlampig ermittelt worden. Auch in Deutschland wurden Ermittlungen gegen einen Ex-Chef von Lyoness eingestellt. Allerdings nahm die Staatsanwaltschaft Köln diesse im Juli wegen des Verdachts der strafbaren Werbung wieder auf. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

2017 organisierte der Verein für Konsumenteninformation (VKI) nach einem OGH-Urteil gegen Lyoness eine Sammelklage. Seitdem setzt man auf Beobachtung: Seit rund 15 Jahren sei Lyoness ein Thema, auch mit internationalen Behörden tausche man sich aus, hieß es aus dem Ministerium von Wolfgang Mückstein (Grüne). Der VKI begrüßt das Urteil im Fall Nina G.: „Die neuen Lyconet-Bedingungen sind genauso intransparent wie jene, die der OGH bereits für nichtig erklärte“, sagt Ulrike Wolf vom VKI. (Laurin Lorenz, 22.7.2021)

* Der Name wurde von der Redkation geändert.

Quelle: Der Standart – die beste Zeitung für Leser!




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