Wenn die Vorwürfe der Verlagsgruppe Österreich zutreffen, kann sich die Grüne Justizministerin warm anziehen. Die Argumentation erscheint jedenfalls schlüssig zu sein. Redaktionsräumlichkeiten und Kommunikationsgeräte von Journalisten genießen in Österreich einen besonderen rechtlichen Schutz. Deshalb habe der Rechtsschutzbeauftragte der Justiz die Maßnahme auch nicht genehmigt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sieht den Sachverhalt anders: Ein Gericht habe zugestimmt.
Letztendlich wird die Klärung der Vorwürfe erst vor Gericht möglich sein, denn es steht Rechtsmeinung gegen Rechtsmeinung. Objektiv betrachtet, alle Emotionen gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz beiseite legend, muss man den besonderen Status von Journalisten und Redaktionen berücksichtigen. Es ist ein weiterer Tabu- und möglicherweise auch Rechtsbruch, die Mobiltelefone von Journalisten zu überwachen und zur Auswertung zu beschlagnahmen.
Journalisten und ihre Quellen genießen besonderen Schutz
Der Schutz für Journalisten ist auch durch internationales Recht vorgeschrieben. Die Zeitung Österreich beruft sich darauf, dass eine Überwachung dieser Mobiltelefone gegen das EU-Recht und Menschenrechtskonventionen verstoßen habe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ein besonderes Informationsblatt herausgegeben, das sich mit der Problematik beschäftigt und hier herunterzuladen ist. Demnach sind unter Artikel 10 der Menschenrechtskonvention nicht nur die Freiheit der Meinungsäußerung sondern auch die Mittel ihrer Weiterverbreitung sowie der Schutz journalistischer Quellen zu verstehen. „Der Schutz journalistischer Quellen ist eine der Grundvoraussetzungen der Pressefreiheit.„
Vielleicht weltweit einmalige Vorgangsweise
Man mag nun zu Ex-Bundeskanzler Kurz und der Zeitung Österreich stehen wie man will, aber die Tabubrüche rund um die jüngsten SMS-Skandale sind von allen beteiligten Seiten atemberaubend. Natürlich ist es ein Wahnsinn, wenn das Ziel einer kommenden Hausdurchsuchung bereits drei Wochen im vorhinein durch Spitzel in den Netzwerken der Justiz und Exekutive vorgewarnt wird. Dass dieses Ziel – die Kurz-ÖVP – den Ermittlern eine Woche vor der Maßnahme per Pressekonferenz höhnisch ausrichtet, man könne sich die Durchsuchung sparen, da ohnehin alles Material vernichtet wurde, ist vielleicht weltweit einmalig und wenn dann nur im organisierten Verbrechen zu vermuten.
Angeblich fehlte Genehmigung von OGH-Rechtsschutzbeauftragtem
Umgekehrt ist es auch ein einmaliger Tabubruch, die Räumlichkeiten eines amtierenden Bundeskanzlers zu durchsuchen. Die Beweise scheinen allerdings schwer zu wiegen, das Gericht hat sich die Entscheidung vermutlich nicht leicht gemacht. Dass man dabei aber auch die Mobiltelefone von Redakteuren der Tageszeitung Österreich beschlagnahmte, ist möglicherweise von nationalem und internationalem Recht nicht gedeckt. Das werden die Gerichte zu klären haben. Angeblich – so die Zeitung Österreich – habe der Rechtsschutzbeauftragte des Obersten Gerichtshofs der Maßnahme nicht zugestimmt. Sollte dies zutreffen, besteht massiver Erklärungsbedarf seitens der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft und der grünen Justizministerin Alma Zadic.
WKStA widerspricht Vorwürfen
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat sich laut Informationen der Tageszeitung „Kurier“ zu den Vorwürfen wie folgt geäußert:
Die Durchsuchungen wurden unter Beachtung des verfassungsrechtlich geschützten Redaktionsgeheimnisses bei der Geschäftsführung und im kaufmännischen Bereich, nicht aber in ausschließlich der redaktionellen Tätigkeit dienenden Räumlichkeiten des Medienunternehmens durchgeführt.
Nachtrag: Mittlerweile wurde auch eine umfassende Gegendarstellung veröffentlicht: https://orf.at/stories/3231837/
Verstöße gegen Ehrenkodex des Vereins „Presserat“?
Fest steht, dass das durchsickern der Ermittlungsakten und persönlicher und privater Nachrichten des Bundeskanzlers und seines Umfeldes zwar zur Empörung und Erheiterung der Bevölkerung beiträgt, in einem Rechtsstaat aber ein Ding der Unmöglichkeit sein sollte. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, dass sein privater Bereich unangetastet bleibt und nicht in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Diesbezüglich gibt es auch im Ehrenkodex der österreichischen Presse, der vom linksgerichteten Privatverein „Presserat“ herausgegeben wird, auch ganz klare Regeln. Beispielsweise Punkt 6, der besagt, dass die Intimsphäre jedes Menschen grundsätzlich geschützt sei. Oder Punkt 8, Materialbeschaffung, welcher zwischen lauteren und unlauteren Methoden unterscheidet.
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